Myrtax - Träumerische Feldarbeit

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32. Ophelion 7344 Vierte Ära NL

Tagesanbruch

Myrtax

 

 

Die Sonne ging gerade auf und damit begann ein neuer Tag. Der große stolze Hahn krähte sich die Lunge aus der Brust und weckte damit die menschlichen Sklaven. Heute war nicht Myrtax an der Reihe, die Waschkabinen zu säubern. Und auch nicht die Latrinen zu säubern, denn heute war er mit der Feldarbeit dran.

Die Feldarbeit war ihm neben dem Holzhacken auch die liebste Arbeit. Ehrliche, einfache, wenn auch etwas stinkende Arbeit aufgrund der verwendeten Gülle.

Etwas, was Myrtax sehr interessant fand, war die Tatsache, dass die Vampire ihnen zur Feldarbeit und zum Bäume fällen scharfe Gegenstände gaben, etwa Äxte oder Spitzhacken. Dazu die scharfen Pflüge, die ihnen gegeben wurden.

"He, Myrtax!" Der ältere Jaloquin warf ihm einen Pflug zu, der in etwa seiner Größe entsprach. Myrtax konnte den Pflug gerade noch auffangen, die scharfe Kante der Schar ritzte seine Haut unterhalb der Schläfe.

"Nimm du die Reihen links und komm mir entgegen.", befahl Jaloquin. "Und wehe, sie sind wieder krumm und schief."

"Das war nicht meine Schuld!", beschwerte sich der jüngere Myrtax, erntete dafür einen Hieb auf den Hinterkopf.

"Mir egal!" Jaloquin deutete auf zwei Säcke, die er bereits herangeschafft hatte. "Gerade Furchen und dann sauber das Saatgut verstreuen. Die Herren beobachten uns. Ich werde nicht für dich den Kopf hinhalten. Los, Elternloser!"

Myrtax schluckte die bissige Antwort hinunter, der große und weitaus stärkere Jaloquin würde ihn mit dem Pflug gemeinsam in die Erde rammen, falls er Widerworte geben würde. Den Kloß im Hals konnte er nicht so einfach herunterschlucken.

Er begann einen Schritt abseits des Feldrands, grub den Pflug in die Erde und begann zu ziehen.

Nach etlichen Minuten wanderte sein Geist woandershin und sein Körper übernahm die Kontrolle. Schweiß rann von seiner Stirn, als er die dritte Furche beinahe beendet hatte. Sein Hemd klebte ihm am Körper, als er die fünfte Furchte begann und der Durst machte sich bei der achten Furche bemerkbar. Die zehnte Furche war seine letzte, denn dort kam ihm Jaloquin entgegen, der beinahe fertig war und genauso geschwitzt aussah wie Myrtax sich fühlte.

"Lass mich mal schauen." Der größere Sklave klimperte leise, als die Ringe des Sklavenhalsbands sich bewegten. Man hatte es ihm angelegt, nachdem er versucht hatte, ein paar der Vampirwachen auszuschalten und zu entkommen. Angeblich hatten sie seine Eltern...nein, die Schwester...war es die Cousine gewesen?... getötet und Jaloquin wollte Rache nehmen. Jedenfalls ging so das Gerücht. Zumindest glaube Myrtax, dass der Sklave stark genug wäre, seine Muskeln hatten bei der Arbeit schon das eine oder andere Hemd zerrissen.

 "Besser als das letzte Mal, sieht aber immer noch so aus, als hättest du mit deinem Schwanz gemessen und nicht mit einem gespannten Seil."

"Wir hatten kein Seil.", nuschelte Myrtax in sein vollgeschwitztes Hemd und bekam prompt eine stumme Kopfnuss als Bestrafung auf den Hinterkopf.

"Los, hol Wasser.", befahl der größere Sklave, lehnte seinen eigenen Pflug an die Schulter und stiefelte durch eine der Furchen zum Rand des Feldes, wo die Taschen für die Aussaat lagen.

Myrtax griff die beiden abgenutzten Wasserschläuche und rannte damit zum Brunnen. Er hängte den leeren Eimer an den eisernen Haken und ließ ihn mit Hilfe der Holzkonstruktion und der dicken, hölzernen Kurbel nach unten gleiten. Als sich das Seil lockerte und wieder spannte, kurbelte Myrtax in die andere Richtung, zog den vollen Eimer an den Rand und füllte ihre Wasserschläuche, die er zum Feld brachte.

"Na endlich, hast du dich mit deiner Schlampe getroffen?" Jaloquin riss ihm den größeren Schlauch aus der Hand. "Was ist, Zunge verschluckt?"

"Nein und nein.", murmelte Myrtax etwas ärgerlich. "Was willst du von mir?"

"Ich habe euch gesehen. Du und diese Sklavin..." Gierig trank der größere Mann das Wasser aus dem Schlauch, gurgelte und spuckte ins Feld aus.

"Was...ach so, nein." Myrtax wedelte mit der Hand, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. "Sie...ah...wurde vom Herrn angetrunken und gab zu viel Blut. Ich habe sie nur nach unten getragen."

"Sicher hast du das.", lachte Jaloquin gehässig. "Und nicht ausgenutzt? Feigling."

"So etwas macht man nicht!", rief er erschrocken aus.

"Ach nein? Dann sollte ich sie das nächste Mal tragen, wer auch immer sie war." Wieder lachte der Sklave gehässig, verkorkte den Wasserschlauch und drückte Myrtax den Tragebeutel an die Brust, worin sich nun das Saatgut befand. 

Myrtax begann wieder links, Jaloquin rechts. Da fiel Myrtax auch auf, wie schief teilweise seine Furchen waren und es beschämte ihn ein wenig, während er die Körner auf die umgepflügte Erde warf. Später würde es kaum jemand bemerken, wenn die ersten Sensen die Halme durchtrennten, aber jetzt war es besonders gut zu sehen.

Der Mittag ging vorbei, Myrtax holte ihnen Brot, Trockenfleisch und jeweils ein großes Stück Käse. Dazu gab es Ziegenmilch in handgeformten Tonbechern. Dann wurden sie zum Holzhacken abgerufen unter der Aufsicht einer bewaffneten menschlichen Wache, die furchterregend genug aussah, um auch ein Vampir sein zu können. Die einschwänzige Peitsche mit kleinen, gemeinen Dornen baumelte an seiner Hüfte, das Kurzschwert hing direkt daneben.

Myrtax bekam eine Handaxt in die Hand gedrückt und ihm wurde ein großer Holzstapel zugeteilt, den er stoisch in kleinere Holzstücke hackte und in den bereitgestellten Wagen warf, der sich gefühlt kaum füllte.

Als es Abend wurde und die Sonne bereits den Horizont berührte, erscholl ein Ruf.

"Mensch Myrtax!"

Der junge Sklave richtete sich auf, es juckte ihm unter dem Sklavenhalsband aus festem Leder, es juckte ihn am Rücken, wo ihm das Hemd klebte und überall dort, wo die herumfliegenden Holzspäne hineingekommen waren.

Was er sah, war eine bildhübsche Frau mit langen, geflochtenen braunen Haaren und ebenso braunen Augen. Sie war in ein einfaches, weißes Unterkleid und ein gröberes, grünes Oberkleid gekleidet, was bei der Wärme für Myrtax eher unpraktisch ausschaute. Ihre Füße steckten in einfachen Lederschuhen, ihre Haare wurden von einer hölzernen Haarnadel an Ort und Stelle gehalten.

"Ja?", fragte er und wunderte sich gleichzeitig, was er jetzt wieder verbrochen hatte. Waren seine Furchen nicht gerade genug gewesen? Hatte er die Axt falsch geschwungen oder zu wenig Holz zerkleinert?

Ein kurzer Blick und er war sich sicher, dass es nicht das Holz gewesen sein konnte, es lagen nur noch zwei große Kanthölzer dort, wo einstmals zwanzig Stück davon gelegen hatten.

War es doch zu wenig gewesen?

"Ich soll dich holen. Die Herrin verlangt nach dir."

"Die Herrin?"

"Spreche ich undeutlich?" Die Dienerin gab ein abfälliges Fauchen von sich, ihre spitzen Eckzähne schienen zu schimmern. "Beweg deinen Kadaver. Nein, lass die Axt da und komm. Waschen brauchst du dich nicht, die Herrin lässt man nicht warten."

"Ja." Myrtax lehnte die Axt an das große Wagenrad, bevor er der Dienerin folgte. Sie roch gut, wie eine Mischung aus Blüten und Brot. Ihr Gang war federleicht, nur ihr Kleid raschelte, ihr Zopf schwang elegant hin und her.

Die Blicke der höhergestellten Vampire und die der niederen Vampirdiener - erkennbar an den schmaleren Halsbändern ohne Ringe für Seile oder Ketten - versuchte Myrtax weitestgehend zu ignorieren. Er glaubte, ungefähr zu wissen, wie er ausschaute: verschwitzt, dreckig, voller Erde an den Füßen, Holzspäne in der Kleidung und vermutlich auch in den Haaren. Eigentlich sah er genauso aus, wie er sich fühlte: dreckig.

Warum wollte ihn die Herrin sehen? Was hatte er falsch gemacht? Wurde er bestraft, weil er nun der Leibsklave von Jilal war? Durfte er das nicht?

Oh je, wenn er nun eine von Herrin Rovinnas Strafen kosten durfte...

Mit einem sehr flauen Gefühl im Magen erklomm er hinter der noch namenlosen Dienerin die Stufen des großen Baumes. Vorbei ging es auch am Gemach seines Herrn Jilal, zwei Stockwerke höher, wenn er es richtig einschätzte.

Die Dienerin blieb plötzlich vor einer großen, glatten Tür mit goldenen Intarsien darin stehen, klopfte dreimal hart an. Sofort kam das "Herein!" und sie drückte gegen die dunkle Holztür. Widerstandslos schwang sie auf.

"Ich bringe Euch den Menschen Myrtax.", berichtete sie, als sie drei Schritte in den Raum getan hatte und sich tief aus der Hüfte verneigte.

"Danke.", kam die leise Antwort von hinter einem Raumtrenner aus dünnem Papier. Myrtax schlug rasch die Augen nieder, als er die weiblichen Konturen der Herrin Rovinna erblickte. "Du kannst gehen, Marseille. Warte vor der Tür."

"Ja, Herrin." Die Dienerin mit dem klangvollen Namen Marseille verneigte sich noch tiefer, sodass ihr Zopf nach vorne schwang. Sie drehte sich dabei auf der Stelle um und verließ den großen runden Raum, schloss die Tür leise klackend hinter sich.

"Du bist also Myrtax. Den mein Sohn Jilal als Haussklaven möchte?", fragte die Herrin Rovinna, trat hinter dem Raumtrenner hervor. Sie trug ein schwarzes Kleid aus feinem Stoff, der bei jeder Bewegung zu glitzern schien. Ihre Arme steckten in Trompetenärmeln und das gesamte Kleid schien ihre Figur zu verschleiern, ihre Füße waren auch nicht zu sehen. Der Stoff raschelte leise über den polierten Holzboden.

Rasch schlug Myrtax die Augen wieder nieder.

"Schau mich ruhig an.", säuselte es plötzlich leise neben ihm. "Was macht dich so besonders?"

Myrtax hob leicht den Blick und schluckte, als er in ihre blutroten Augen schaute, die zu glühen schienen.

"Ich weiß es nicht, Herrin.", brachte er jämmerlich heraus und er hasste sich dafür, wie schwach und erbärmlich seine Stimme klang.

"Du weißt es nicht? Er hat nichts zu dir gesagt?"

"Nein, Herrin. Er sagte nur, dass Ihr und Euer Gemahl es erlaubt hättet."

"Das ist auch so, da spricht er die Wahrheit. Du kommst gerade vom Feld?"

"Von der Holzarbeit, Herrin. Das Feld war heute Morgen in meinen Händen."

"Das habe ich gesehen. Du bist kräftig. Kannst du lesen und schreiben? Rechnen?"

"Ja, Herrin. Meine Eltern brachten mir die Grundlagen bei, bevor sie...bevor..." Er schluckte, versuchte den erneuten Kloß im Hals loszuwerden.

"Ah, die Feuer. Deine Eltern waren das. Ja, ich erinnere mich an sie. Deine Mutter hatte das schmackhaftere Blut, dein Vater das Stärkere. Wie zwei verschiedene Weine." Die Vampirdame leckte sich über die Lippen, was Myrtax Schauer über den Rücken jagte. Er fragte sich, was er hier sollte. Wollte sie ihm Blut absaugen? Warum sagte sie es dann nicht?

"Hör auf, mit dem Jungen zu spielen.", brummte es aus dem Hinterteil des Zimmers, etwas platschte nass.

"Lass mich meinen Spaß haben.", zischte Rovinna in die ungefähre Richtung, der Mann lachte leise. Sie drehte sich wieder zu Myrtax, ihr feiner Duft nach dem Holz des Baumes drang in seine Nase.

"Also", flüsterte sie beinahe, "wenn du der Haussklave meines Sohnes werden sollst, dann müssen wir ein paar Dinge festhalten. Er darf davon nichts erfahren, hast du verstanden?"

"Ja, Herrin."

"Gut. - Zuerst: alles, was er tut, berichtest du an uns. Marseille wird dich holen oder zu dir kommen und du erstattest ihr Bericht. Jede noch so gering erscheinende Kleinigkeit wirst du dir merken.

Zweitens: du berichtest uns über jeden, mit dem er spricht. Auch Diener und Sklaven.

Drittens: du schreibst es dir nicht auf. Es soll keine Beweise geben.

Viertens: du tust das, was er dir sagt, wenn er es dir sagt. Und wenn er dir befiehlt, dass du dich vom Baum stürzen sollst. Er soll keinen Verdacht schöpfen."

Myrtax fragte sich sofort, warum Jilal ihn töten wollen würde, beantwortete sich die Frage aber selbst, als er an die halbtote, beinahe völlig ausgesaugte Sklavin dachte.

"Hast du das verstanden, Mensch Myrtax?" Die deutlich größere Vampirin beugte sich herab, wieder umwehte ihn der Geruch nach Holz. Und noch etwas anderes, Puder vielleicht?

"Ja, Herrin. Klar und deutlich."

"Sehr gut!", rief sie aus, klatschte in die Hände. "Marseille?"

Es dauerte nur zwei Herzschläge, bis die große Tür sich wieder öffnete und die schöne Dienerin eintrat mit ihrem Duft nach Blüten und Brot.

"Herrin." Sie verneigte sich schwungvoll.

"Zeig ihm sein Zimmer, bring ihm zwei Garnituren und wasche ihn gründlich, damit er in einer Stunde bereit ist. Lass auch seine Sachen holen und geh vorsichtig mit den Urnen um. Nimm sie am besten selbst in die Hand."

"Ja, Herrin. Es wird so ausgeführt, wie Ihr es befehlt."

"Das weiß ich." Rovinna trat an die Dienerin heran, die beiden Frauen waren beinahe gleich groß, Rovinna war nur knapp zwei Finger größer. "Und wasch dich gründlich, ich brauche dich nachher noch."

Das Lächeln, was plötzlich über das Gesicht der schönen Dienerin huschte, war Myrtax völlig unverständlich.

"Ja, Herrin.", erwiderte sie und erinnerte den Sklavenjungen aus irgendeinem Grunde an eine der Katzen, die hier gerne über den Hof streunten und sich schnurrend in der Sonne räkelten.

"Gut, geht jetzt." Rovinna tippte Marseille an der Schulter an, welche Myrtax kalt anschaute und zur Tür nickte. Er verneigte sich noch einmal rasch vor Rovinna - sicher war sicher - und floh beinahe auf den Gang.

"Hat sie gesagt, ich bekomme ein Zimmer?", fragte er die Dienerin verhalten und hoffte, dass sie ihre spitzen Eckzähne nicht in seinen Hals vergrub, weil er zu viele Fragen stellte.

"Das hat sie gesagt.", kam die leise Antwort. "Und Kleidung. Was hast du denn gedacht, was passiert, wenn du der Haussklave eines adligen Vampirs wirst? Hast vermutlich gar nicht darüber nachgedacht."

"Nein, ich hatte nur gedacht, dass er mich immer rufen kann."

"Oh, das wird er.", lachte die Dienerin, was sich anhörte wie klirrendes Glas. "Nur bist du viel näher an ihm dran als du vielleicht wünschen würdest."

Myrtax grinste schief und hörte erst auf zu grinsen, als sie vor einer schmaleren Tür standen. Diese lag zwei Stockwerke unter dem von Jilal und vier unter dem des adligen Vampirpaares Rovinna und Simar.

Marseille stieß die Tür auf und was Myrtax sah, war großartig. Es war ein oval erscheinender Raum, der von großen polierten Wurzeln durchzogen war. Eine Bettstatt befand sich in einer wie natürlich gewachsenen Mulde in der linken Wand, fast direkt unter dem mit einem dicken schwarzen Vorhang abgedeckten Rundfenster. Es gab einen niedrigen Beistelltisch am Bett. Das Bett selbst besaß ein großes, weich aussehendes Kissen und eine karierte, ebenso weich aussehende Decke.

Auf der rechten Seite sah er den Raumtrenner, wo er die Waschstätte vermutete, rechts neben dem Fenster. Ergab auch Sinn, da dort meistens die Abflüsse angebracht waren.

Auch sah er dort ein großes Regal, welches bis zur Decke reichte und auch wie gewachsen wirkte. Ein Schreibtisch und ein schmaler Stuhl standen in der Ecke.

Myrtax klappte der Mund herab, Marseille betrat den Raum, schaute sich um und nickte, bevor sie ein kleines Silberglöckchen aus ihrer Tasche zog und zweimal klingelte. Der helle Ton flog durch den Gang und auf einmal standen drei Vampirdiener hinter Myrtax.

"Anthor, ich brauche dich gleich, um die Sachen des Menschen Myrtax zu holen. Ich bin persönlich damit beauftragt."

"Ja, Herrin." Der Vampir verneigte sich rasch, was für Myrtax bedeutete, dass Marseille über den anderen Dienern und Sklaven stand, vielleicht sogar die Vertraute der Herrin Rovinna war.

"Drosta, Kildara, wascht den Menschen Myrtax gründlich und bringt ihm neue Kleidung."

"Ja, Herrin.", kam es unisono von den beiden Damen, die sich synchron verneigten, Myrtax unter den Armen griffen und ihn spielend zu der in den Boden eingelassenen Waschkuhle bugsierten.

"He, was...nein, ich kann mich selbst waschen!", protestierte Myrtax, wollte sich losreißen. Er wollte nicht nackt vor drei Frauen stehen. Nicht, dass er sich schämte, er hatte nur das Gefühl, dass es unangemessen war und er fühlte sich auch nicht wohl dabei. Es war ihm unangenehm, könnte man sagen.

"Zier dich nicht.", sagte einer der beiden Vampirdienerinnen, als sie ihm die Schuhe von den Füßen zog. "Das sind doch keine Kleider, das sind Lumpen."

"Lumpen.", kicherte die andere. "Bessere Verbände, meinst du wohl."

"Die taugen nichts für Verbände, würde mich nicht wundern, wenn sie voller Flöhe wären."

"Ich habe keine Flöhe.", widersprach Myrtax ungewollt heftig. "Ich habe mich immer gründlichst gewaschen!"

"Aber sicher.", kicherte die zweite Frau wieder. "Auf Drei. Eins, zwei...drei!"

Mit einem heftigen Ruck griffen die beiden Damen zu und zerrissen seine Kleidung wie nasses Papier. Plötzlich stand er nackt vor Marseille, die nur eine Augenbraue hob.

Myrtax wusste kaum, wie ihm geschah. Die beiden Vampirdienerinnen hoben ihn in die Waschkuhle und seiften ihn mit Tüchern und Kernseife ein. Es war ihm höchst unangenehm, besonders, als die eine seinen Intimbereich und die andere seinen Kopf wusch, das war ein völlig irritierendes Gefühl, vor allem, weil er dabei immer noch beobachtet wurde.

Die ganze Aktion dauerte nur wenige Minuten, da saß Myrtax, in Trockentücher gewickelt, auf seinem Bett und tropfte den Boden voll. Die Vampirdienerin Drosta rubbelte ihm die Haare mit einem Tuch trocken, Kildara breitete zwei Garnituren Wäsche neben ihm auf dem Bett aus.

"Eine für die alltägliche Arbeit, eine für besondere Anlässe. Unter Umständen kannst du eine weitere Garnitur bekommen für die Arbeit, aber geh vorher pfleglich mit ihnen um."

"Ja, Herrin.", antwortete er reflexartig, die beiden Damen kicherten wieder.

"Los, geht, er ist trocken genug.", befahl leise Marseille, sie ließen von ihm ab. "Gut, kleide dich, dir wird gleich Essen gebracht und danach erwartet dich Herr Jilal. Ich bringe dir deine Eltern."

"Ja, Herrin. Und..." Er stand rasch auf, verneigte sich und wäre dabei beinahe ausgerutscht auf dem nassen Holz. "Vielen Dank, Herrin."

"Danke nicht mir." Marseille wandte sich mit einer wie fast gewollten eleganten Umdrehung ab und schwebte beinahe aus dem Zimmer.

Myrtax berührte ehrfürchtig die weiche Arbeitshose, welche ihm seltsam widerstandsfähig vorkam.

Neue Kleidung.

Ein eigenes Zimmer.

Es war beinahe wie ein Traum.

Myrtax zwickte sich so fest in den Arm, dass es sich anfühlte, als würde er bluten, aber das tat er nicht.

Nein, definitiv kein Traum. Das Grinsen wollte ihm nicht mehr aus dem Gesicht weichen.

 

 

 

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